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Interaktionen mit Medikamenten und pflanzlichen Heilmitteln bei oraler Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten

Bis vor wenigen Jahren waren Vitamin K-Antagonisten wie Marcoumar und Sintrom die einzigen verfügbaren oral einzunehmenden Gerinnungshemmer. Einen wichtigen Stellenwert in der Vermeidung von thromboembolischen Ereignissen haben Vitamin-K-Antagonisten auch noch nach der Einführung der direkten oralen Antikoagulantien (DOACs) vor wenigen Jahren und sie sind für gewisse Indikationen (wie z. B. künstliche Herzklappen) nach wie vor die einzigen zugelassenen Gerinnungsmedikamente.

Das A und O: Die „Zeit im therapeutischen Bereich“

Vitamin-K-Hemmer, auch Cumarine genannt (Marcumar®, Marcoumar®, Sintrom®,Coumadin®), haben einen schmalen therapeutischen Zielbereich, welcher für die meisten Indikationen bei einem INR-Wert zwischen 2,0 bis 3,0 liegt. Es bestehen große individuelle Unterschiede in der Dosierung, um diesen Zielbereich zu erreichen. Um Blutungs- und thromboembolische Komplikationen zu verhindern, ist es wichtig, dass ein Großteil der gemessenen INR-Werte im therapeutischen Zielbereich liegen, denn nur dann ist die „Zeit im therapeutischen Bereich“ hoch und die Gerinnungstherapie sicher und effizient. Studien haben gezeigt, dass Patienten mit einer durchschnittlichen „Zeit im therapeutischen Bereich“ von über 70% nur ein sehr geringes Risiko für Komplikationen aufweisen.

Voraussetzung: Regelmäßige INR-Messungen

Für eine sichere und effektive Gerinnungstherapie mit Vitamin K-Antagonisten sind daher regelmäßige INR-Messungen und eine Dosisanpassungen bei Werten außerhalb des Zielbereiches notwendig. Es wurde mehrfach gezeigt, dass besonders bei Gerinnungspatienten, die das Patienten-Selbstmanagement betreiben, die „Zeit im therapeutischen Bereich“ vergleichsweise hoch ist und dadurch das Auftreten von thromboembolischen Ereignissen deutlich gesenkt wird (1). Vitamin K-Antagonisten weisen bekanntlich zahlreiche Wechselwirkungen mit Medikamenten, Nahrungsmittel und pflanzlichen Heilmitteln auf, die zu INR-Wert-Schwankungen führen oder auch die Gerinnung hemmen ohne den INR-Wert zu verändern.
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die verschiedenen Mechanismen von Arzneimittelwechselwirkungen gegeben werden.

Interaktionen mit Medikamenten

Medikamentenwechselwirkungen können bei der gleichzeitigen Einnahme von verschiedenen Medikamenten auftreten. Die gewünschte pharmakologische Wirkung kann dadurch verstärkt, abgeschwächt oder sogar aufgehoben werden. Dadurch können unerwünschte Arzneimittelwirkungen (sogenannte Nebenwirkungen) entstehen. Da die Anzahl der eingenommenen Medikamente mit dem Lebensalter ansteigt, treten auch Wechselwirkungen mit zunehmendem Alter häufiger auf. Man unterscheidet bei Arzneimittelwechselwirkungen zwischen pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Interaktionen (2).

Pharmakinetische Interaktionen von Vitamin K-Antagonisten

Die Pharmakokinetik beschreibt die Prozesse, denen ein Medikament im Körper unterliegt. Dazu gehören die Aufnahme (Resorption), die Verteilung im Körper (Distribution), der Abbau (Metabolisierung) und die Ausscheidung (Elimination).  Bei Vitamin-K Antagonisten erfolgt die Aufnahme im Magen-Darm-Trakt, danach wird das Medikament an Eiweißstoffe im Blut gebunden und in der Leber über bestimmte Eiweißstoffe, den sogenannten Cytochromen P450 (CYP450) verstoffwechselt. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren. Die Pharmakokinetik von Cumarinen wird von vielen verschiedenen Medikamenten verändert, daher sind im Folgenden nur Beispiele angeführt:

Verminderte Aufnahme aus dem Magen-Darm-Trakt

führt zu einer niedrigeren Konzentration des Gerinnungshemmers im Blut, d.h. der INR-Wert sinkt (Beispiel: Cholestyramin).

Verdrängung aus der Eiweißbindung

es steigt dadurch die Konzentration des Gerinnungshemmers im Blut, d.h. der INR-Wert steigt, oft mit einer Verzögerung von 1-3 Wochen (Beispiel: Sartane).

Interaktionen mit abbauenden Eiweißstoffen (CYP450) - Hemmung oder Aktivierung

Durch Aktivierung des CYP450 kommt es zu einem schnelleren Abbau des Vitamin K-Antagonisten, dadurch sinkt der INR-Wert (Beispiel: Phenobarbital – Epilepsi-Behandlung). Durch Hemmung des CYP450 verzögert sich der Abbau des Vitamin K-Antagonisten, sodass es zu einer Steigerung des INR-Wertes kommt (Beispiel: Fluconazol - Pilzinfektion).

Steigerung der Ausscheidung über die Niere

führt zu einer Verminderung der Konzentration des Gerinnungshemmers im Blut und somit zu einer INR-Wert-Senkung (Beispiel: Miconazol - Pilzerkrankungen).

Pharmadynamische Interaktionen von Vitamin-K-Antagonisten

Die Pharmadynamik beschreibt die Wirkung des Medikaments auf den Organismus. Im Falle von Marcoumar und Sintrom ist dies die Herabsetzung der Gerinnbarkeit des Blutes durch die verminderte Produktion der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren. Die gerinnungshemmende Wirkung der Vitamin-K-Antagonisten kann durch gleichzeitige Einnahme von blutplättchenhemmenden Medikamenten verstärkt werden ohne dass sich dadurch der INR-Wert verändert. Daher ist die Anwendung dieser Medikamente (zu denen neben Aspirin auch viele Schmerzmittel zählen) gleichzeitig mit einem Vitamin-K-Antagonisten nur bestimmten Situationen vorbehalten und sollte grundsätzlich vermieden werden.

Interaktionen mit Nahrungsmitteln und pflanzlichen Heilmitteln

Dass Nahrungsmittel, die viel Vitamin K enthalten, zu INR-Wert-Schwankungen führen können, ist allseits bekannt. Es wird allerdings nicht mehr empfohlen bei Einnahme von Vitamin-K-Hemmern, Lebensmittel mit hohem Vitamin-K-Gehalt zu meiden, vielmehr soll man sich ausgewogen ernähren und ausreichend Gemüse zu sich nehmen. Durch möglichst gleichbleibende Ernährungsgewohnheiten kann man nahrungsmittelbedingte INR-Wert-Schwankungen weitgehend verhindern. Kommt es allerdings zu einer Ernährungsumstellung z.B. im Rahmen einer Diät, so sind häufig Dosisanpassungen notwendig.

Pharmakokinetische Wechselwirkungen von Vitamin-K-Antagonisten mit pflanzlichen Heilmitteln und Nahrungsmittel (ohne Vitamin-K-Komponente) entstehen vor allem durch Aktivierung oder Hemmung des abbauenden Eiweißstoffes Cytochrom P450, wodurch es zu einem beschleunigten oder verlangsamten Abbau des Gerinnungshemmers kommt. Pharmakokinetische Interaktionen hingegen entstehen durch die zusätzliche Hemmung der Blutplättchen durch gewisse Pflanzeninhaltsstoffe und können zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen.

Beispiele für Interaktionen mit pflanzlichen Nahrungs- und Heilmitteln:

Johanniskraut

Johanniskraut wird bei leichten Depressionen, Schlaf- und Angststörungen therapeutisch eingesetzt. Bei gleichzeitiger Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten sinkt der INR-Wert durch gesteigerten Abbau aufgrund einer Induktion des abbauendenden Eiweißstoffes CYP450. (Abb.1)

Grüner Tee

Der Konsum von Grüntee in großen Mengen kann den INR-Wert durch Beeinflussung der CYP450 Aktivität senken. In Maßen genossen scheint grüner Tee keine Auswirkungen auf die Gerinnungstherapie zu haben.

Grapefruit

Inhaltsstoffe der Grapefruit (v.a. Furocumarine) hemmen die CYP450 Aktivität und führen so zu einer INR-Wert Erhöhung. (Abb.2)

Mango

Auch der Genuss von kleinen Mengen der Frucht Mango führen durch Interaktion mit CYP450 zu einer INR-Wert Erhöhung, die klinisch relevant sein kann.

Ginseng

Durch die Hemmung der Funktion der Blutplättchen wird der gerinnungshemmende Effekt von Vitamin K-Antagonisten verstärkt, das Blutungsrisiko kann dadurch erhöht sein.

Zusammenfassung:

Viele Medikamente und auch pflanzliche Heil- und Lebensmittel zeigen Wechselwirkungen mit Vitamin-K-Antagonisten. Es kann dadurch zu einer Wirkungsverstärkung oder Wirkungsabschwächung des Gerinnungsmedikamentes kommen. Neben dem Wissen um diese Begebenheit und einer ausgewogenen Ernährung schützen regelmäßige INR-Kontrollen und eine Dosisanpassung bei INR-Werten außerhalb des therapeutischen Zielbereiches vor Blutungs- und thromboembolischen Komplikationen. Arzneimittel, die die Blutplättchen hemmen führen bei gleichzeitiger Einnahme mit Vitamin-K-Antagonisten zu einem erhöhten Blutungsrisiko und sollten daher vermieden werden.

Dr. med. Margot Egger-Salmhofer, Konventhospital der Barmherzigen Brüder, A-4021 Linz

Referenzen:

  1. Heneghan CJ, Garcia-Alamino JM, et al. Self-monitoring and self-management of oral anticoagulation. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Jul 5;7:CD003839.
  2. Di Minno A, Frigerio B., et al Old and new oral anticoagulants: Food, herbal medicines and drug interactions. Blood Rev. 2017 Jul;31(4): 193-203.