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Schmerzen unter Gerinnungshemmung mit Vitamin-K-Antagonisten - Was tun?

Jeder Patient kann einmal die Notwendigkeit für eine kurzfristige Schmerztherapie haben, natürlich auch Patienten unter Antikoagulation. Oft treten die Probleme wie Erkältung, Knieschmerzen o.ä. am Abend oder am Wochenende auf, sodass eine schnelle Linderung aus der Hausapotheke wünschenswert wäre.
Einige, auch frei verkäufliche, Schmerzmittel führen aber zu einer Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes und sollten daher vermieden werden. Die Möglichkeiten der Schmerztherapie sollen hier anhand der verschiedenen Präparate dargestellt werden
 

Aspirin®, Wirkstoff = Acetylsalicylsäure.

U.a. folgende typische Schmerzmittel enthalten Aspirin: z.B. ASS, Thomapyrin®, Dolomo®, Boxazin®, Grippal + C, Neuralgin®, Togal®.

Der Wirkstoff „Acetylsalicylsäure“ hemmt unwiderruflich einen bestimmten Stoffwechselweg in unserer Blutplättchen (Thrombozyten), und zwar über die Hemmung des Enzyms Cyklooxygenase. Die Wirkung des Aspirins wird also erst nach Neubildung von frischen Blutplättchen im Knochenmark aufgehoben. Dieser Vorgang dauert individuell unterschiedlich, im Schnitt ist die Aspirinwirkung auf die Blutplättchen nach etwa 5 - 10 Tagen Dauer verschwunden. Auch eine kleine Dosis Aspirin (bereits 100 mg einmalig eingenommen) führt zu einer vollständigen Hemmung dieses Stoffwechselweges.

  • Anders formuliert: Bereits die Einnahme einer einzigen Schmerztablette mit Aspirin kann die Gerinnungsfähigkeit der Blutplättchen für bis zu 10 Tage hemmen. In dieser Zeit haben Patienten, die andere gerinnungshemmende Mittel einnehmen wie z.B. Phenprocoumon also ein erhöhtes Blutungsrisiko! Dies kann sich besonders auswirken, wenn in diesem Zeitraum noch ein Eingriff oder eine Punktion ausgeführt werden bzw. wenn eine Verletzung auftritt.
  • Grundsätzlich sollte also Acetylsalicylsäure als Schmerzmittel bei Patienten, die bereits eine Gerinnungshemmung erhalten, immer vermieden werden.

Ausnahme: Einige Patienten mit sog. Stents am Herzen müssen eine zeitlang Phenprocoumon + Acetylsalicylsäure oder manchmal sogar noch ein weiteres Medikament einnehmen und haben daher ein erhöhtes Blutungsrisiko. Diese Kombinationstherapie wird daher also immer so kurz wie möglich gehalten, die Dauer dieser Kombinationstherapie wird vom Kardiologen festgelegt.

Antirheumatika:

Eine weitere Gruppe von Schmerzmittel sind sog. nicht-steroidale Antirheumatika. Diese werden vor allem bei Kopf- und Gelenkschmerzen verwendet, sind aber auch gut wirksam bei Erkältungskrankheiten und bei Monatsbeschwerden.

Die typischen Wirkstoffe sind:

  • Ibuprofen
  • Naproxen
  • Diclofenac
  • Piroxicam

Die Wirkung auf die Funktion der Blutplättchen ist hier im Allgemeinen schwach, oft kaum messbar. Zudem führen diese Mittel zu einer reversiblen Blutplättchenhemmung, d.h. das Blutplättchen ist in der Lage, nach einer kurzen Zeit den Stoffwechsel wieder zu normalisieren, es wird keine Neubildung von Blutplättchen hierzu benötigt. Deshalb dauert die gerinnungshemmende Wirkung dieser Mittel in der Regel auch nur 24 Stunden an.

Somit sind diese Mittel deutlich geeigneter für Patienten die Gerinnungshemmer einnehmen als Acetylsalicylsäure-haltige Mittel.

Paracetamol:

Paracetamol ist ein beliebtes Schmerz- und Erkältungsmittel, da es auch eine fiebersenkende Wirkung hat. Paracetamol hat keine Wirkung auf die Gerinnung und kann daher bedenkenlos verwendet werden. Eine Überdosierung (mehr als 4000 mg tgl.) ist auch hier zu vermeiden, da  diese zu Leberschaden führen kann.

Metamizol (Novalgin®):

Auch Metamizol ist als Schmerzmittel für Patienten die Gerinnungshemmer einnehmen, geeignet, da kein zusätzlich gerinnungshemmender Effekt auftritt. Der Nachteil ist allerdings eine Einschränkung des Reaktionsvermögens, d.h. das Führen von Fahrzeugen und Maschinen wird unter Einnahme eher nicht empfohlen. Somit ist der Nutzen im Alltag doch deutlich eingeschränkt.

Zudem gibt es eine Reihe morphinähnlicher Mitteln wie z.B.:

  • Tramadol (Tramal®)
  • Tilidin/Naloxon (Valoron®)
  • Hydromorphon (Palladon®)
  • Durogesic (Fentany®)
  • Buprenorphin (Temgesic®).

Auch diese sind grundsätzlich als Schmerzmittel bei Marcumar-Patienten geeignet, da keine Interaktion mit der Gerinnung stattfindet.

Aber Achtung: wie bei Metamizol ist die Reaktionsfähigkeit stark vermindert und es besteht ein Abhängigkeitspotential!

Fazit:

Frei verkäufliche Schmerzmittel der ersten Wahl bei Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, sind:

  • Ibuprofen (v.a. bei Gelenk- und Kopf- und Monatsschmerzen und
  • Paracetamol (bei leichten Kopfschmerzen und Infekten).

Diese sollten am besten in der Hausapotheke vorrätig sein.

Übliche Dosierungen:

  • Ibuprofen 200 - 600 mg ein- bis 3-mal tgl. je nach Schwere der Schmerzen;
  • Paracetamol 500 - 3000 mg ein - bis 3-mal tgl. je nach Schwere der Schmerzen.

Einige wichtige Punkte noch zum Schluss:

Jedes neue Medikament, auch die einmalige Einnahme eines Schmerzmittels (!), kann zu Schwankungen beim INR-Wert führen. Daher bitte bei Selbstmedikation mit Schmerzmitteln am besten 2 x wöchentlich den INR kontrollieren und ggf. die Dosis anpassen. Viele Patienten beschreiben z.B. eine INR-Erhöhung nach Einnahme von Ibuprofen.

Nahezu alle Schmerzmittel können, insbesondere bei länger dauernder und hochdosierter Medikation, die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes angreifen und hier zu Geschwüren und Blutungen führen. Magen-und Darmblutungen tragen erheblich zur Sterblichkeit bei Patienten die Gerinnungshemmer einnehmen, bei!

Daher ist es oft sinnvoll, vor Beginn einer längerfristigen Schmerzmitteltherapie eine bakterielle Besiedlung des Magens auszuschießen (sog. Helicobacter-Test) sowie falls nötig ein Magenschutzmedikament dazu zu geben, wie z.B. die Wirkstoffe Omeprazol, Pantroprazol etc..

  • Daher bitte niemals länger als eine Woche Schmerzmittel einnehmen ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt!
  • Jede Blutung aus dem Magen-Darm-Trakt ist ein Notfall und bedarf sofortiger Klärung, meist mittels Spiegelung von Magen und /oder Darm.

Dr. med. Hannelore Rott, Fachärztin für Transfusionsmedizin; Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr, Königstr. 13, D-47051 Duisburg; E-Mail: hannelore.rott@gzrr.de